Ein schönes altes Motiv, das sich beim Vorbeifahren praktisch vor die Kamera drängte. Die Gaststätte befindet sich in der Nähe des heutigen Bahnhofs Gelsenkirchen-Buer Süd und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Sie wurde zusammen mit dem Bahnhof im Jahr 1880 in Betrieb genommen. Die Inschrift Gast Wirthschaft zum Bahnhof entspricht den bis 1901 gültigen Rechtschreibregeln, sowas sieht man heuzutage nicht mehr oft.
Das Gebäude gehörte der Reichsbahn (später der Bundesbahn), der erste Pächter war die aus dem Sauerland stammende Familie Gerke. 1902 übernahm der 22jährige Josef Gerke die Pacht und war dabei anscheinend sehr erfolgreich, obwohl es in der näheren Umgebung an Gaststätten nicht mangelte. Außerdem lagen Bahnhof und Kneipe damals etwas außerhalb und die Wohnbebauung kam nur langsam näher, sodass sich die Kundschaft Anfangs wohl überwiegend aus Pendlern und Arbeitern zusammensetzte. Gerke gehörte zahlreichen Vereinen und Verbänden an und erreichte mit der Zeit eine gewisse soziale Stellung, so war er z.B. Mitglied des katholischen Kirchenvorstands, Fest-Wirt des lokalen Schützenfestes und jemand der anscheinend gewohnt war, anzupacken:
Im Jahr 1907 brach jemand mittels Dietrich in die Gastwirtschaft ein und stahl Geld und Zigarren. Gerke ging davon aus, dass die Person es erneut probieren würde, legte sich auf die Lauer und erwischte den Dieb auf frischer Tat. Dieser konnte flüchten, wurde von Gerke aber nach wenigen Metern eingeholt, worauf sich ein Kampf entwickele, bei dem der Dieb mit einem Brecheisen zuschlug und Gerke würgte, aber letztendlich gefasst wurde. Damit hatte er einen mehrfach vorbestraften und gerade erst aus dem Gefängnis entlassenen Verbrecher dingfest gemacht.
Im 1. Weltkrieg diente er sich zum Sergeanten hoch und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. In den wirtschaftlich schwierigen 20er Jahren bot er in der Gaststätte Weihnachtsbäume zum Verkauf an, die er sich direkt zum nahen Bahnhof hatte liefern lassen. Im Fußball war er auch aktiv und soll ein bekannter Trainer gewesen sein, auch wenn sich hierzu keine weiteren Angaben finden lassen, jedenfalls konnte man bei ihm direkt auch Sportwetten abschließen. 1940 feierte er mit seinem 60. Geburtstag auch die 60 jährige Pacht des Gasthauses durch seine Familie.
Als Josef Gerke 1946 verstarb, führte die Familie das Gasthaus anscheinend nicht weiter. Danach führte Jutta Stammel die Gaststätte etwa 20 Jahre lang, bis sie ungefähr Anfang der 70er Jahre von Hermann Beus übernommen wurde. In den 80er Jahren führte sie Ewald Beus, der dem Lokal den Namen Bahnhofs-Bistro gab, unter diesem Namen war es bis etwa in die 2010er Jahre bekannt. Auch heute, nach bald 145 Jahren, wird die Gaststätte noch bewirtschaftet und heißt inzwischen Cliff’s Restaurant, Bar & Biergarten.
Fotografiert im Januar 2023.
Quellen: Adressbuch Gelsenkirchen, Buersche Zeitung, Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung, Gelsenkirchener Zeitung, Vestische Neueste Nachrichten, Gelsenkirchener Geschichten.