Fährt man am Neusser Hafen entlang, fällt eine alte Lagerhalle aus Holz mit der verblichenen Aufschrift Franz Reinhart auf. Wozu die sie einst diente, ist heute auf den ersten Blick nicht mehr ersichtlich, dabei wurde das Unternehmen vor über 100 Jahren gegründet und war einst durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung.
Der Kaufmann Franz Reinhart gründete 1919 im Hafen Neuss ein nach ihm benanntes Einzelunternehmen, das vermutlich schon damals eine Holzhandlung war. 1923 wurde es in eine Aktiengesellschaft namens Franz Reinhart Holzgroßhandlung AG umgewandelt. Reinhart übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrats, während Hermann Müller und Franz Hüster (ihm folgte und Ferdinand Peter) den Vorstand bildeten. Das Unternehmen kam gut durch die schwierigen 20er Jahre mit jährlichen Umsätzen von ca. 200.000 Reichsmark (ca. 1 Mio. Euro) und Gewinnen von ca. 20.000 RM p.a., die sich während der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre bei sinkenden Umsätzen jedoch in Verluste drehten. Schwierig war wohl auch das Jahr 1929 durch einen 7-wöchigen Sympathiestreik der Arbeiter samt Aussperrungen durch die Firma. Das Unternehmen beteiligte sich an anderen Holzhändlern und hatte eine Tochtergesellschaft in München.
1930 kaufte Franz Reinhart das Unternehmen zurück und wandelte es wieder in eine Einzelgesellschaft um. Wenig später übernahm Franz Reinhart Junior das Unternehmen, bis es in den 70er Jahren an Josef Zehner verpachtet wurde. Die Firma bestand vermutlich bis Ende der 90er Jahre, das Firmengelände wurde in den 2000er Jahren von der benachbarten Ölmühle Sels erworben. Bürogebäude usw. stehen nicht mehr, heute ist die ehemalige Lagerhalle für Holz das letzte Überbleibsel.
Fotografiert im Oktober 2022.
Quellen: Reichsanzeiger, Handelsregister, Rhein- und Ruhrzeitung.
Es war für mich sehr berührend, diesen Artikel zu lesen und das Bild zu sehen. Als Enkelin des Firmengründers und Tochter von Franz Reinhart junior habe ich vieles von der wechselvollen Geschichte der Fa. Franz Reinhart mitbekommen. Mein Vater hatte die Fa. nach dem Krieg von seinem Vater übernommen und nach den kriegsbedingten Zerstörungen wieder erfolgreich aufgebaut. Das Schicksal der Fa. Franz Reinhart war, dass mein Vater im Jahre 1971 – mit gerade mal 50 Jahren – durch einen tragischen Verkehrsunfall, übrigens unmittelbar vor seiner Firma, mitten aus seinem schaffens- und erfolgreichen Berufsleben gerissen wurde. Meine Mutter Herta Reinhart geb. Uersfeld pflegte meinen Vater für 7 Jahre bis an sein Lebensende. Gleichzeitig führte sie die Fa. mit der Unterstützung langjähriger, treuer und kompetenter Mitarbeiter selbstständig für 5 Jahre weiter. Die Herausforderungen waren enorm, und so entschloss sich meine Mutter schließlich, die Fa. an Herrn Josef Zehner, einen der genannten langjährigen Mitarbeiter, zu verpachten. Die Fa. arbeitete weiterhin sehr erfolgreich, sodass sie später sogar von einem der Söhne von Josef Zehner weitergeführt wurde. Die Beendigung des Pachtverhältnisses führte dann in den 90er Jahren zur Schließung der Fa. Franz Reinhart. Bestehende Niederlassungen in Aschaffenburg und München, die mein Vater noch von seinem Vater übernommen hatte, waren zwecks Verlagerung des Geschäftsschwerpunktes nach Neuss bereits in den 60er Jahren geschlossen worden.
Wenn ich die Düsseldorfer Strasse entlangfahre, denke ich immer noch mit Wehmut zurück. Ein kleines Bürogebäude, das in der unmittelbaren Nachkriegszeit sogar als Wohnung meiner Eltern diente und in dem meine älteste Schwester geboren worden ist, besteht immer noch. Ebenso ein kleines Lagergebäude, das einst als Lager für Bauplatten diente.
Wow. Einfach nur wow. Da fährt man in der Straßenbahn,Jahrelang an einer Tafel vorbei, schaut ,aus Interesse im Internet nach, und fünf Minuten später steigt man mit Tränen in den Augen an seiner Haltestelle aus..sehr bewegende Geschichte